Eine kleine Menükritik von Alexander
Über die französische Menüabfolge hat man schon viel gehört und doch nicht wirklich viel Ahnung davon. Zumindest geht es drei Freunde und mir so. Das haben wir peinlich feststellen müssen, als wir vor einiger Zeit im südfranzösischen Küstenort Cassis den berühmtesten Fischeintopf der Welt schmausen wollten.
Tischsitten raus, rein in die frische Klamotte und los geht’s auf Restaurantsuche am Abend in diesem malerischen Küstenstädtchen östlich von Marseille. Im zweiwöchigen Frankreich-Urlaub einmal richtig was gönnen und „chic“ essen gehen, so lautet der Plan.
Schwarz-weiß von Kopf bis Fuß
Weiße gestärkte Tischdecken und Servietten, elegante Kellner in Schwarz-Weiß und ebenso edle Preise, wie die Speisen auf der Karte verraten. Schwarz-weiß von oben bis unten sind nicht nur die Kellner, auch ich mit meinen Adidas-Tretern, den super praktischen Klassikern, die auf keiner Reise fehlen dürfen.
„Bouillabaisse, Wein und Wasser für alle vier“, stammelt diejenige, die über das längste Schulfranzösisch verfügt. Das Geschirr wird durch tiefe Teller erweitert. Der kühle Rosé kunstvoll entkorkt, verkostet und für „okay“ befunden. Des Weiteren wird eine große Suppenterrine aufgefahren, flankiert von zwei kleinen Schüsselchen mit einer sämigen gelblichen Soße, die so ähnlich wie Knoblauch-Mayonnaise schmeckt. Wie ich später im Internet herausfinde heißt diese Soße Rouille, die traditionell zur Bouillabaisse gereicht wird. Selbstverständlich gibt es auch Baguette dazu.
Brot, Wein und Wasser
Hervorragend dieser Eintopf aus Fisch, Meeresfrüchten, Schalentieren und allerlei herzhaften Gewürzen und Gemüsesorten wie Tomaten und Fenchel. Doch es ist und bleibt eine dünne Suppe, die recht wenig satt macht. Also ordern wir mehr Brot und mehr Suppe. Schließlich müssen wir später auch teuer dafür bezahlen und wollen nicht hungrig aufstehen. Die Kellner kichern sich derweil einen, was wohl an der attraktiven Freundin liegt, die während der gesamten Reise die Franzosen begeisterte.
Und noch einmal bitte Brot, um das Dünne aufzutunken. Wieder ernten wir Gekicher seitens der Herren Ober. Egal, wir wollen satt werden, was auch so langsam eintritt. Und das soll dieser berühmte Fischeintopf gewesen sein?, fragen wir uns am Tisch und diskutieren angeregt. „Typisch deutsch“, sagt einer, „immer alles auf einen Teller vollpacken und los geht das Mampfen“. Okay, aber hungrig bleiben nach einer wirklich teuren Mahlzeit nennt man landauf landab Nepp. Also, lasst uns doch mal fragen, ob es wirklich schon alles war. Bloß nicht, das macht man nicht, schon gar nicht als Gast in Frankreich.
Frittenbude oder Eiswagen?
Nachtisch ist finanziell nicht mehr drin, zumal es gegen Ende des Urlaubs ist und die Geldpolster mittlerweile allzu dünn. Alles wird abgeräumt. Der letzte Tropfen Wein und Wasser verteilt und die Frage weiter gedreht und gewendet: Das war’s? Ob die Frittenbude unten an der Strandpromenade wohl noch offen hat? Oder doch lieber ein großes Eis?
Dann wird der Tisch wieder neu eingedeckt und die gleiche große Suppenterrine gebracht. Fragezeichen auf der Stirn? Das hatten wir doch schon! Auch die Rouille und Baguette werden frisch serviert. Komisch. Und dann kommt der Kellner mit einer riesigen Platte voller Fisch, Schalentieren und Meeresfrüchten. Lachend verstehen wir, dass wir bisher nur die Vorspeise hatten und nun der eigentliche Hauptgang kommt. Köstlich, diese Auswahl an Edelfisch wie Loup de Mer, schmackhaften Langusten und frischen Muscheln, die in diesem leckeren Sud aus Weißwein mit einem Schuss Pastis, Schalotten, Mehlbutter, Knoblauch, Kräutern der Provence und Weißbrot gekocht wurden. Wir lecken uns alle zehn Finger einzeln ab, können aber noch etwas essen. Immerhin haben wir schon drei Gänge Weißbrot und Suppe verdrückt.